Manchmal gibt es Serien, die einen völlig unvermittelt packen – und genau das hat Leviathan bei mir getan. Nach Cyberpunk: Edgerunners war es der erste Netflix-Anime, der mich so richtig in seinen Bann gezogen hat. Eine Mischung aus Alternate History, Biopunk, Steampunk und Coming-of-Age-Drama, verpackt in zwölf Episoden, die mich von der ersten Minute an fesseln konnten.

Die Welt von Leviathan – Biopunk trifft Weltgeschichte
Leviathan basiert auf der gleichnamigen Romantrilogie von Scott Westerfeld (2009–2011) und verbindet geschickt die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs mit einer alternativen Realität. Auf der einen Seite die Darwinists, die mithilfe von Biotechnologie lebendige „Kriegsbestien“ erschaffen – allen voran der majestätische Luftwal HMA Leviathan. Auf der anderen Seite die Clankers, die auf dampfgetriebene Walker und Maschinen setzen. Inmitten dieser Welten treffen sich zwei Jugendliche, deren Schicksale kaum gegensätzlicher sein könnten: die schottische Pilotin Deryn „Sharp“, die sich als Junge ausgibt, und Prinz Aleksandar, der Erbe Österreich-Ungarns auf der Flucht.
Von Beginn an war ich gebannt: Die politischen Verstrickungen, die zum Krieg fĂĽhrten, wurden nicht nur als Kulisse genutzt, sondern kunstvoll in diese alternative Welt verwoben. Es fĂĽhlte sich nicht wie reine Fiktion an, sondern wie ein Spiegel unserer eigenen Geschichte, nur durch eine Linse aus Fantasie und Biopunk neu interpretiert.
Themen, die mehr sind als Staffage
Besonders beeindruckt hat mich, wie Leviathan komplexe Themen behandelt. Geschlechterrollen zum Beispiel: Deryns Kampf darum, in einer Männerdomäne ernstgenommen zu werden, wurde behutsam und respektvoll erzählt. Es fühlte sich nie belehrend an, sondern wie ein authentischer Kampf, den Frauen in der Geschichte viel zu lange führen mussten. Diese Balance ist selten – und genau deswegen wirkt die Serie auch lange nach.
Produktion, Musik und internationale Handschrift
Entstanden ist die Serie bei Qubic Pictures (bekannt von Eden und Star Wars: Visions) in Zusammenarbeit mit Studio Orange, die Anime-Fans spätestens seit BEASTARS und Trigun Stampede ein Begriff sind. Regie führte Christophe Ferreira, der in Interviews betonte, dass man bewusst eine internationale Handschrift anstreben wollte. Unterstützung kam von Comic-Künstler Alex Alice, der bei der Entwicklung einer Serienbibel half.
Musikalisch ist Leviathan ein Genuss: Der Soundtrack stammt von Nobuko Toda und *Kazuma Jinnouchi, die schon bei Metal Gear Solid und Ghost in the Shell: SAC_2045 für Gänsehaut sorgten. Und als wäre das nicht schon genug, steuert niemand Geringeres als Joe Hisaishi die Eröffnungs- und Endsongs bei. Der Opener „Paths Combine“ und das Ending „The Sky Ahead“ sind Ohrwürmer, die perfekt zum epischen Gefühl der Serie passen.

Struktur & Umsetzung
Die zwölf Episoden sind grob in drei Arcs unterteilt, die jeweils einem der Bücher (Leviathan, Behemoth, Goliath) entsprechen. Das bedeutet natürlich, dass viel Stoff in wenig Zeit gepackt werden musste – manche Kritiker bemängeln diese Straffung. Für mich persönlich wirkte es jedoch wie ein durchdachtes Ganzes: kompakt, dicht erzählt und ohne Füllmaterial. Lieber so, als eine verwässerte Adaption über mehrere Staffeln.
Kritik und Rezeption
In der Fachpresse gingen die Meinungen auseinander. Manche lobten die Optik und die starke Welt, andere kritisierten die Vereinfachungen. Doch genau hier liegt für mich die Stärke: Leviathan ist zugänglich, ohne banal zu sein. Es bleibt ein Anime, der lange nachhallt – so wie Edgerunners damals.
Kommt eine Fortsetzung?
Die Frage aller Fragen: Gibt es eine zweite Staffel? Offiziell hat Netflix bisher nichts angekündigt – und laut Regisseur Ferreira war die Serie auch nie auf mehrere Staffeln angelegt. Mit den zwölf Episoden ist die gesamte Romantrilogie erzählt. Ein klassisches „Staffel 2“ ist daher unwahrscheinlich. Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass Netflix bei großem Erfolg Spin-offs oder neue Geschichten im selben Universum wagt. Potenzial gäbe es jedenfalls genug.
Persönliches Fazit
Für mich ist Leviathan endlich wieder einer dieser Anime, die man nicht so schnell aus dem Kopf bekommt. Die Mischung aus historischer Kulisse, Biopunk-Ideen, respektvoller Thematisierung von Geschlechterrollen und schlicht atemberaubender Inszenierung hat mich komplett abgeholt. Es ist ein Werk, das in seiner Dichte, seinem visuellen Stil und seiner Emotionalität lange nachwirken wird – und das man sich unbedingt anschauen sollte.
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Matt McKenzie
Sternenwanderer, Wortschmied – Matt McKenzie erkundet die Grenzen des Vorstellbaren und schreibt darüber, als wäre er mittendrin. Fantasie trifft Technik in der Sternen Schmiede.
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